Der VwGH sorgt in aktuellen Entscheidungen für Aufsehen: Anerkannte Umweltorganisationen (UO) können als übergangene Parteien auch Jahre zurückliegende Naturschutzgenehmigungen anfechten. Die betroffenen Projekte sind damit vorerst „on hold“.
Von Brisanz sind die Entscheidungen des Höchstgerichts zum NÖ und Kärntner Naturschutzrecht aus unterschiedlichen Gründen. In zwei rezenten Judikaten zum NÖ NSchG (VwGH 16.2.2021, Ra 2019/10/0148 und 9.3.2021, Ra 2019/10/0094-11) setzte sich der Gerichtshof mit den 2019 erlassenen Aarhus-Anpassungsbestimmungen auseinander, die NGOs am Verfahren beteiligen, gleichzeitig aber auch Altbescheide absichern sollten. 2018 stellte die Behörde der UO den – in einem Verfahren (betreffend eines Wasserkraftwerks) bereits seit 2012 (!) bestehenden – Genehmigungsbescheid zu. Darin sah der VwGH nun aber eine Beiziehung zum Verfahren, sodass die Aarhus-bezogenen Übergangsbestimmungen des NÖ-NSchG ins Leere liefen. Dieses Ergebnis mag der spezifischen Rechtslage im NÖ NSchG geschuldet sein. Gewisse Aussagen des VwGH zur Rechtsstellung der UO scheinen aber verallgemeinerungsfähig: UO sind auch bei vor der Protect-Entscheidung abgeschlossenen Verfahren als übergangene Parteien zu qualifizieren, der Genehmigungsbescheid ist ihnen gegenüber (mangels Einbindung) nicht rechtskräftig geworden. Es bleibt abzuwarten, wie der VwGH die Aarhus-Bestimmungen in anderen (Landes-)Gesetzen beurteilen wird, in welchen das nachträgliche Anfechtungsrecht der UO regelmäßig zeitlich begrenzt wird. Die Rechtssicherheit, aber auch die Chancen, die Klimaziele zu erreichen (erneuerbare Energie-Projekte scheinen von nachträglichen Einwendungen besonders betroffen), würden jedenfalls durch eine (idealerweise zeitnahe) Bestätigung dieser Übergangsbestimmungen erhöht.
In dem Kärntner Fall war die Sache etwas anders gelagert. Die naturschutzrechtliche Genehmigung eines Windparks wurde noch vor der Aarhus-Anpassung des K-NSG erlassen. Unter dem Eindruck der Protect-Entscheidung wurde der Genehmigungsbescheid im Wege der öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 25 ZuStG zugestellt. Doch auch das sei – so der VwGH (22.3.2021, Ra 2020/10/0036) – zu wenig: Die Behörde hätte vielmehr allen in Kärnten zugelassenen UO den Bescheid zustellen müssen; da dies nicht geschehen ist, wären die UOs als übergangene Parteien auch nachträglich noch beschwerdebefugt. Dass die UO erst Monate nach Kenntnis der Genehmigung Beschwerde erhob, stelle zudem keinen zur Zurückweisung berechtigenden Rechtsmissbrauch dar.
Manuel Planitzer und Florian Stangl, Wien