Nach vielen Jahren Diskussion ging zum Schluss dann alles recht schnell: kaum waren die Kärntner Gemeinderatswahlen geschlagen, beschloss die Landesregierung Ende März die Regierungsvorlage für die umfangreichste Änderung des Kärntner Raumordnungsrechts seit Jahrzehnten. Ein gutes Monat später wurde nun diese Regierungsvorlage mit nur wenigen Abänderungen vom Kärntner Landtag beschlossen. Damit hat Kärnten ab 1.1.2022 endlich ein einheitliches Raumordnungsgesetz, das inhaltlich den Grundsatz der sparsamen Flächeninanspruchnahme postuliert und dabei auch teilweise ganz neue Ansätze verfolgt.
Das am 29.4.2021 vom Kärntner Landtag beschlossene Gesetz (hier abrufbar) fasst das bisherige Kärntner Raumordnungsgesetz 1969 sowie das Kärntner Gemeindeplanungsgesetz 1995 in einem Gesetz zusammen. Damit finden sich in dem neuen Gesetz nunmehr – wie auch in den anderen Bundesländern üblich – einerseits gemeinsame Ziele und Grundsätze der Raumplanung im Land sowie Regeln für die überörtliche Raumplanung und anderseits detaillierte Bestimmungen für die örtliche Raumplanung in den Gemeinden (insbesondere betreffend die Erstellung und Änderung von Flächenwidmungsplänen). Ausdrücklich als Ziele des neuen Gesetzes nennen die Erläuterungen die Baulandmobilisierung, einschließlich der Reduktion des Baulandüberhanges, die Beschränkung von Einkaufszentren außerhalb von Ortszentren und die Beschleunigung der Widmungsverfahren.
Dem Beschluss des K-ROG 2021 ging jedoch eine lange Geschichte von Diskussionen zu einem neuen Raumordnungsrecht in Kärnten voran. Zuletzt wurde im Sommer 2019 ein umfassender Entwurf in Begutachtung geschickt, doch zunächst konnte man sich politisch nicht auf einige der darin enthaltenen heiklen Bestimmungen, insbesondere betreffend Maßnahmen zur Baulandmobilisierung, einigen. Das nunmehr beschlossene Gesetz wurde schließlich auch in einzelnen Punkten entschärft, dennoch enthält es neben einigen unionsrechtlich bedingten Anpassungen (insb. Erneuerbare-Energien-RL, Seveso III-RL, Gebäudeenergieeffizienz-RL) durchaus weitreichende (und wohl auch kontroversielle) Neuerungen:
- Detaillierte Ziele und Grundsätze der Raumordnung (§ 2; u.a. möglichst sparsame Verwendung von Grund und Boden , inkl. Flächenrecycling, Integration und Einsatz erneuerbarer Energien, Bedachtnahme auf die Lebensbedingungen künftiger Generationen, Vorrang des Gemeinwohls vor Einzelinteressen, Vermeidung der Zersiedelung), die bei der Erstellung des Flächenwidmungsplans verpflichtend einzuhalten sind (bei Widerspruch Versagung der Genehmigung durch die Landesregierung gem. §38 Abs. 7 Z1).
- Genaue Vorgaben für die Erstellung eines örtlichen Entwicklungskonzepts (§ 9), insb. auch Abschätzung des Baulandbedarfs für einen Planungszeitraum von 10 Jahren.
- Neufestlegung von Bauland grundsätzlich nur mehr, wenn der Baulandbedarf nicht durch Baulandreserven gedeckt ist oder im Ausmaß der beabsichtigen Neufestlegung Rückwidmungen in Grünland erfolgen (§15 Abs. 3-5).
- Befristungsmöglichkeit für neu gewidmetes Bauland (§15 Abs. 7), wobei nach Ablauf von 10 Jahren eine neue Widmung festgelegt werden darf, wenn mit keiner widmungsgemäßen Bebauung begonnen wurde.
- Befristungsmöglichkeit auch für bereits bestehende, mind. 500 m² große Baugrundstücke (Altbestand), anlässlich der Überarbeitung des Flächenwidmungsplans (§ 35 Abs. 1), allerdings nur, wenn das betreffende Grundstück bereits seit mind. 10 Jahren als Bauland gewidmet, aber noch immer unbebaut ist; bis zur Möglichkeit einer neuen Widmung / Rückwidmung müssen daher insg. mind. 20 Jahre vergangen sein.
- Möglichkeit der Festlegung von Vorbehaltsflächen für den förderbaren Wohnbau, wenn in einer Gemeinde eine erhebliche Nachfrage der ortsansässigen Bevölkerung nach Grundflächen für Wohnzwecke (als Hauptwohnsitz) besteht (§ 29 Abs. 2 Z 2).
- Präzisierung der Definition von Freizeitwohnsitzen in Anlehnung an das Sbg. ROG 2009, um Umgehungen zu verhindern (§ 30; „[dient] nicht der Deckung eines dauernden, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedarfs […], sondern [soll] überwiegend während des Wochenendes, des Urlaubs, der Ferien oder nur zeitweilig als Zweitwohnung benützt werden […]“).
- Errichtung von Einkaufszentren mit mehr als 600 m² zusammenhängender Verkaufsfläche nur mehr in Orts- oder Stadtkernen - ausgenommen (unter bestimmten Voraussetzungen) in Klagenfurt und Villach (§ 32). Die in der RV noch enthaltene Begrenzung von ebenerdigen Stellplätzen (als Maßnahme zur Verringerung des Flächenverbrauchs) wurde hingegen fallengelassen.
- Verpflichtende Rückwidmungen von Bauland in Grünland unter bestimmten, genau definierten Voraussetzungen, insb. wenn die Baulandreserven den abschätzbaren Baulandbedarf von 10 Jahren übersteigen (§ 36); die Rückwidmung darf aber nur erfolgen, wenn seit der erstmaligen Baulandwidmung mind. 20 Jahre verstrichen sind und nicht mit einer widmungsgemäßen Bebauung begonnen wurde. Außerdem gibt das Gesetz Kriterien (quasi eine "Prioritätenliste") für die Auswahl der rückzuwidmenden Grünstücke vor.
- Entschädigungsanspruch für Rückwidmungen besteht nicht mehr, wenn die Rückwidmung nach Ablauf einer festgelegten Bebauungsfrist erfolgt.
- Möglichkeit des Abschlusses von privatwirtschaftlichen Vereinbarungen („Vertragsraumordnung“) erweitert, wobei nur eine demonstrative Aufzählung der jedenfalls zulässigen Vereinbarungen erfolgt (§ 53 ; zB auch Sicherstellung der Verfügbarkeit von leistbaren Grundflächen / Flächen für den förderbaren Wohnbau, Beteiligung an Aufschließungs- und Planungskosten); es ist eine Erfüllungsfrist von max. 5 Jahren festzulegen (mit Verlängerungsmöglicheit auf 10 Jahre).
Behörden, Planer und Bauwerber haben nach jahrelanger Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Ausrichtung des Kärntner Raumordnungsrechts nun endlich ein klares Planungsinstrument, das wohl wieder für viele Jahre die Raumentwicklung des Landes beeinflussen wird. Jetzt muss sich das Gesetz, auf das viele so lange gewartet haben, aber in der Praxis beweisen und dabei zeigen, ob es die ambitionierten Ziele auch tatsächlich erreichen kann. Im Hinblick auf die angestrebte Bodenlandmobilisierung und die Reduktion der Flächeninanspruchnahme sind die neuen Regelungen jedenfalls ein wichtiger Schritt, teilweise wurde ihnen aber im Laufe der langjährigen Diskussion auch ein wenig die Durchschlagskraft genommen. Begrüßenswert ist in diesem Sinne die Begrenzung der Neufestlegung von Bauland, einschließlich der Verpflichtung zu Rückwidmungen in der Gemeinde, wenn ein entsprechender Baulandüberhang besteht. Die – im österreichweiten Vergleich – nun sehr strengen Regelungen für Einkaufszentren außerhalb von Orts- und Stadtkernen haben wiederum das Potential, sowohl der Bodenversiegelung im großen Ausmaß Einhalt zu gebieten, als auch Orts- und Stadtkerne zu stärken. Ob es hingegen ausreicht, den Gemeinden die Möglichkeit zur Befristung von Bauland zu geben, ohne nähere Kriterien festzulegen, wann eine solche Befristung jedenfalls geboten ist (zB bei einem Mangel an verfügbarem (und leistbarem) Bauland), bleibt abzuwarten. In der Vergangenheit hat sich leider immer wieder gezeigt, dass einschränkende „Kann-Bestimmungen“ von den Gemeinden ungern herangezogen werden. Greift in einer Gemeinde – etwa wegen der starken Nachfrage nach Bauland – auch die Verpflichtung zur Rückwidmung wegen Baulandübergangs nicht, könnten Baugrundstücke so möglicherweise weiterhin jahrelang gehortet werden. Da im Gesetz schließlich auch keine Baulandmoblisierungsabgabe beschlossen wurde, bestünde auch in dieser Hinsicht wenig Anreiz zur Bebauung bzw. zum Verkauf. Möglicherweise muss beim Punkt „Baulandmobilisierung“ daher in einigen Jahren noch einmal nachgeschärft werden.
Katharina Häusler, Wien